Artikel in der Saarbrücker Zeitung

Deutschlands unbekanntester Marktführer
Das Lager der Herweck AG in St. Ingbert-Rohrbach ist eine wichtige Drehscheibe im Handel zum Beispiel von Handys. Doch die wenigsten im Saarland dürften wissen, dass ihr Handy von dort geliefert wurde. Die beiden Herweck-Manager Hans-Jürgen Witfeld und Can Güntuncer erklären, warum das Unternehmen ein Top-Adresse der Branche und trotzdem unbekannt ist.
VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDORF
ST. INGBERT Viele Saarländer werden davon nichts ahnen, wenn sie ihr Smartphone aus der Hosentasche ziehen. Gerade wenn sie das Gerät bei einem Mobilfunkhändler vor Ort gekauft haben, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass es aus dem Lager der Herweck AG in St. Ingbert-Rohrbach gekommen ist. So sieht es zumindest Hans-Jürgen Witfeld, der neben den Firmengründern Jörg Herweck und Dieter Philippi dem Vorstand angehört. Das Unternehmen ist ein Großhandel für IT- und Telekommunikationstechnik und bietet außerdem eine Reihe von Dienstleistungen rund um die Hard- und Software an.
Herweck beliefert in ganz Deutschland den Mobilfunk-Einzelhandel und Systemhäuser, die Betriebe mit Telekommunikationstechnik ausstatten, zum Beispiel mit Telefonanlagen oder Konferenzsystemen. Mit rund 10 000 Kunden sei Herweck regelmäßig im Geschäft, sagt Witfeld. Wichtige Partner sind Netzbetreiber wie Telekom, Vodafone, O2 (Telefonica) oder 1&1 und Hersteller wie Apple oder Samsung sowie Produzenten, die nur Branchenkennern ein Begriff sind, wie Atos Unify. Ungefähr 500 000 Pakete liefere der Großhändler pro Jahr aus. Das Lager hat 7000 Quadratmeter Fläche und bietet 35 000 Kubikmeter Raum.
„Wir gehören zu den Top-Unternehmen in der Branche. In einigen Teilbereichen sind wir Marktführer“, sagt Witfeld. Jedoch „sind wir der unbekannteste Marktführer in Deutschland“, merkt Can Güntuncer an, der Director Mobile, der das gesamte Geschäft rund um die mobile Kommunikation verantwortet. Zur Unbekanntheit trägt sicherlich bei, dass die Herweck AG als Großhändler im Hintergrund arbeitet und Verbraucher mit der Firma unmittelbar nichts zu tun haben.
In der Branche ist die Herweck AG aber ein Name. Das Unternehmen wurde zum zweiten Mal in Folge unter rund 50 Anbietern zum „Distributor des Jahres“ gewählt. Die Auszeichnung wird von der Branchen- Zeitschrift Telecom Handel in einer Leser-Wahl ermittelt, an der sich mehr als 1900 Fachhändler und Systemhäuser beteiligten. In fünf von 26 Kategorien landete Herweck ganz vorne, darunter die Lieferfähigkeit, also die Fähigkeit, schnell und zuverlässig die gewünschte Ware zu beschaffen. Eine große Rolle spielen darüber hinaus Service-Themen, die mit persönlicher Unterstützung und Beratung zu tun haben. Zum Beispiel hilft Herweck Handy-Shop-Betreibern beim Start ihres Geschäfts, besorgt alles, was man zur Vermittlung von Mobilfunk- und Festnetzverträgen braucht, und managt über die Schwester-Gesellschaft Geist, Kirch & Hof die gesamte Kommunikation mit den Endverbrauchern, von Werbeplakaten bis zum Social-Media- Auftritt.
Dass Herweck mit Erfolg arbeitet, spiegelt sich nicht nur in solchen Auszeichnungen, sondern nicht zuletzt in Unternehmenszahlen. „Wir haben auch im letzten Jahr ein zweistelliges Wachstum gehabt“, sagt Witfeld. Obwohl die Rahmenbedingungen nicht dafür gesprochen hatten. Denn „es gab kein Wachstum im Markt“. Witfeld erklärt die positive Entwicklung mit Verdrängung. „Kunden sind von anderen Großhändlern zu uns gekommen.“ Mehr als 500 Millionen Euro Umsatz habe die Herweck AG im vergangenen Jahr erzielt. Zahlen zum Gewinn will er nicht nennen. 2019 standen laut der im Bundesanzeiger veröffentlichen Bilanz unter dem Strich rund 3,6 Millionen Euro.
Für die Zukunft ist Vorstandsmitglied Witfeld zuversichtlich. „Wir sind optimistisch, dass es ein sicheres Geschäft in den nächsten Jahren wird. Wir setzen auf Wachstum und suchen Mitarbeiter, die uns dabei helfen. Das ist das Allerwichtigste.“ Die Rekrutierung ist aber offenbar nicht so einfach „Wir müssen viel tun, um neue Kollegen zu bekommen“, sagt Witfeld. Rund 300 Beschäftigte habe das Unternehmen zurzeit – Tendenz steigend.
Durch die Produkte kann sich Herweck nicht von anderen Anbietern abheben. Ein iPhone ist ein iPhone, ob es nun aus diesem oder jenem Lager an die Kunden geliefert wird. Der Betreiber eines Handy-Shops kann also schnell zur Konkurrenz wechseln, wenn er nur auf die Ware schaut. „Wir sind extrem austauschbar“, sagt Güntuncer, fügt aber gleich einschränkend hinzu: „theoretisch“. „Praktisch sind wir dadurch, was wir tun und wie wir es tun, für die meisten Händler nicht austauschbar“, betont der Director Mobile. Für den künftigen Erfolg hält er es für wichtig, „dass wir die persönliche Ebene immer stärker spielen“. Denn die Standard-Abläufe zum Beispiel bei der Warenbestellung seien längst digitalisiert. „Wir brauchen mehr Menschen. Das ist unser Rohstoff.“
Zur Geschichte der Herweck AG
Die Herweck AG wurde 1985 von Dieter Philippi und Jörg Herweck gegründet. Die beiden starteten einen Import von Anrufbeantwortern und Designertelefonen und waren damit Pioniere in einem Markt, der sich damals erst allmählich öffnete. Die Deutsche Bundespost hatte über Jahrzehnte ein Monopol. Aus den Anfängen entwickelte sich ein mittelständisches Großhandelsunternehmen für IT- und Telekommunikationsprodukte mit rund 500 Millionen Euro Jahresumsatz und etwa 300 Mitarbeitern. Die Herweck AG ist Teil der Philippi & Herweck Holding GmbH in St. Ingbert.
Quelle: Saarbrücker Zeitung